Wachsende Anforderungen an Ausbildungsmethoden und -inhalte, zunehmende Komplexität der Produktwelt, steigende Erwartungen der Kunden an Fachberatung sowie der anhaltende Fachkräftemangel setzen die Branche unter Handlungsdruck. Der Zoofachhandel steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die ein radikales Umdenken in der Ausbildung und Nachwuchsförderung erforderlich machen.
So konnten laut einer Ausbildungsumfrage (DIHK 2024), 49 Prozent der IHK-Ausbildungsbetriebe nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze qualifiziert besetzen, was einen neuen Höchststand darstellt. Zudem zeigt der IU-Lernreport 2024, dass digitale Tools eine wachsende Rolle im Lernverhalten der Menschen sowohl im Beruf als auch in der Ausbildung spielen. Rund 42,2 Prozent der Befragten nutzen digitale Methoden wie Lern-Apps und KI regelmäßig, wobei die Generation Y (26–40 Jahre) mit 48,7 Prozent am stärksten vertreten ist.
Gleichzeitig entsprechen viele Ausbildungsabläufe inhaltlich nicht mehr den Anforderungen des Arbeitsalltags. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Implementierung moderner, interaktiver Lernformate, die praxisnah, flexibel und zukunftsorientiert sind und individuelle Wissensvermittlung zulassen.
Zeitgleich müssen sich die Unternehmen wiederum mit Defiziten in den fachlichen und persönlichen Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden und Auszubildenden auseinandersetzen. Wichtige Faktoren wie Kommunikationsfähigkeit, Belastbarkeit und Eigeninitiative sind oft nur unzureichend ausgeprägt.
Zum Ausbau dieser Kompetenzen sollten neben den Fach- und Produktschulungen auch Workshops zu Resilienz, Kommunikation und Teamarbeit Bestandteile eines modernen Ausbildungsprogramms werden. Diese Kombination aus Fachwissen, Praxisnähe und innovativen Lernmethoden schafft den entscheidenden Mehrwert, gibt persönliche Orientierung und Sicherheit.
Ausbildungs-Kosmos
Hier liegt, aus meinem beruflichen Alltag heraus bewertet, eine der größten Herausforderungen: Die zunehmende Orientierungslosigkeit vieler Jugendlicher und Berufseinsteiger bei der Berufswahl, bedingt durch die Überflutung an digitalen Angeboten. Diese führt immer häufiger dazu, dass viele eine Ausbildung „vorsichtshalber“ erst gar nicht beginnen und lieber warten, bevor sie sich vermeintlich gegen etwas Besseres entscheiden.
Zoofachhandel muss deshalb mehr als ein Arbeitsplatz sein – er sollte sich wie ein Ausbildungs-Kosmos positionieren, welcher die Freude an Ausbildung und Wissenserwerb mit dem Engagement im Job sowie der Identifikation mit der Branche verbindet. Warum also, bieten wir nicht gemeinsam den Zoofachhandel als Erlebniswelt-Ausbildung an?
Synergien schaffen
Der Zoofachhandel ist prädestiniert dafür, unter Nutzung seiner Vielfalt durch ein gemeinschaftliches Vorgehen zu punkten. Warum nicht Kooperationen innerhalb der Branche bilden und dadurch die Möglichkeiten schaffen (und damit werben) während der Ausbildungszeit unterschiedliche Spezialisierungen und Entwicklungspfade kennenzulernen?
Gleichzeitig können Kooperationen zwischen Handel, Industrie, Groomern, Züchtern und Tierärzten nicht nur den Auszubildenden, sondern auch den Unternehmen zusätzliche Einblicke in die gesamte Wertschöpfungskette bieten – von der Produktion über die Logistik bis zur Kundenberatung und tiermedizinischen Betreuung. Informationen, die generell bereichern. So fällt es dann auch leicht, Kunden durch Fachkompetenz und ganzheitliche Beratung zu beeindrucken.
Innerhalb solcher Ausbildungskooperationen können auch rotierende Projektaufträge und Tausch-Praktika initiiert werden, die den Wissenstransfer stärken und regionale oder internationale Netzwerke fördern.
Der Zoofachhandel würde so ein breites und flexibles Spektrum bieten, um mit unterschiedlichsten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten Zusatzqualifikationen zum Fachberater oder Spezialist in bestimmten Themenbereichen zu erwerben.
Wissen vermitteln
Wissenstransfer bleibt eine Kernaufgabe. Momentan beruht es eher auf dem Prinzip des Mentoring, nur leider haben wir dafür immer weniger Zeit – und immer weniger Mentoren. Aufgrund der digitalen Affinität der nachrückenden Generationen, ist es deshalb förderlich, wenn man die Methoden und Tools den Nutzergewohnheiten der Auszubildenden anpasst. Hierbei unterstützen neben agilen Praxis-Workshops auch Formate wie interaktive Lernplattformen, digitale Tools oder auch Trainings-Bots: Simulations-Tools für Fachkompetenz und Kundenberatung, schwellenniedrig und optimal anwendbar für das Selbstlernen.
Nachhaltigkeit lehren
Natürlich sollten zukunftsorientierte Ausbildungsprogramme auch den steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit gerecht werden. Green Skills, wie die Vermittlung von Wissen über umweltfreundliche Futtermittelproduktion oder nachhaltige Verpackungen, sollten ebenfalls als eigenständige Module in die Ausbildung integriert werden. Ein Beispiel wäre ein Projektmodul, bei dem Auszubildende selbst eine nachhaltige Produktlinie entwickeln und vermarkten, um praxisnahes Lernen mit einem gesellschaftlichen Beitrag zu verbinden.
Britta Beste

Leitung Personal bei Euroduna International, Personalentwicklerin, Trainerin, Mediatorin, psychologischer Coach
Vielfacher Profit
Für die Unternehmen bietet eine moderne Ausbildung zahlreiche Vorteile: Sie stärkt das Employer-Branding, sichert Fachwissen und schafft eine starke Wir-Kultur, die Mitarbeitende motiviert und langfristig bindet. Die Auszubildenden profitieren von individueller Förderung, die sowohl ihre persönliche Entwicklung als auch ihre fachliche Kompetenz voranbringt. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen, kreative Lösungen zu entwickeln und ihre Teamfähigkeit zu stärken – alles Schlüsselqualifikationen, die von großer Bedeutung sind.
Die Neuausrichtung der Ausbildung im Zoofachhandel ist aus meiner Sicht keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Wer im Fachhandel ausgebildet wurde, sollte auch selbstbewusst als Fachkraft auftreten können. Das fühlt sich gut an und macht stolz auf den Beruf. Mit innovativen Formaten, kooperativen Ansätzen und einem klaren Fokus auf die Wissens- und Weiterentwicklungs-Bedürfnisse der Mitarbeitenden, wird der Zoofachhandel nicht nur attraktiver für den Nachwuchs, sondern auch zukunftsfähig. So kann die Branche ihre Position als kompetenter und vertrauenswürdiger Partner für Kunden behaupten – und sich gleichzeitig als erstklassiger Arbeitgeber etablieren, der begeistert und inspiriert.