Von Anfang ging es in Bologna themenorientiert und fokussiert zur Sache. Jedem Vortragenden stand eine Redezeit von 20 Minuten zur Verfügung. Es folgten Fragen von Moderator Ralf Majer-Abele und aus dem Publikum. Diskussion und Interaktivität waren Trumpf, keine Zeit für Selbstpräsentationen, Beschönigungen und belanglose Show-Auftritte. Bewährte Redner wie Heiko Bücker (Fressnapf) und Hubert Wiesner (Nestlé Purina) machten den Auftakt. Beide präsentierten sehr konkrete Lösungswege ihrer Unternehmen, um die derzeit so vielen Herausforderungen zu bewältigen. Beide ebneten den Weg für einen spannenden Branchentreff, auch weil sie Probleme offen ansprachen anstatt diese kleinzureden.
Frische Ideen
Schon bald entlud sich dann zum ersten Mal die für diesen Kongress so charakteristische Frauenpower: Die durchweg gelungenen Kurzpräsentationen der fünf nominierten Newcomer-Firmen machten deutlich: Die in den Start-ups stark engagierten Frauen zeigen Wirkung und bringen frischen Wind in die Heimtierbranche. Wen wunderte es da noch, dass das weibliche Trio des deutschen Bewerbers Strayz mit seiner emotionalen und authentischen Präsentation die Herzen der meisten Kongressbesucherinnen und -besucher im Sturm erobert hat? Frauen reagierten dieses Jahr auf der International Pet Conference die Welt, auch bei der Ernennung der besten Newcomer-Firma.
Am Nachmittag ließen es vor allem Caitley Dudas, Executive Director der vor allem in den USA sehr einflussreichen Pet Sustainability Coalition (PSC), und Chantal Saelen, CEO des belgischen Heimtierzubehörherstellers Moderna, krachen. Dudas setzt sich für mehr Nachhaltigkeit aus Leidenschaft ein. Das wurde schon in den ersten Minuten ihrer Präsentation deutlich. Die redegewandte Amerikanerin stellte ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor, mit denen ihre Organisation die Heimtierbranche bei der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit mit Initiativen, Weiterbildungsmaßnahmen, Zertifizierungen und vielem mehr unterstützt. Immer wieder warb sie in ihrer Präsentation und auch in der später stattfindenden Podiumsdiskussion dafür, Nachhaltigkeit als eine wichtige Gemeinschaftsaufgabe der Heimtierbranche zu betrachten, die viele Zukunftschancen biete. Akzente setzte die PSC-Frontfrau vor allem auf eine zügigere Umstellung der Heimtiernahrungsindustrie auf alternative Proteinquellen und auf die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks durch weniger und recyclingfähigere Verpackungsmittel.
Ein Herz für Plastik
Ein gutes Beispiel, wie auch mittelständische Unternehmen zu Vorreitern von nachhaltigem Handeln werden können, zeigte auf dem Kongress niemand besser als die Belgierin Saelen mit ihrem Best-Practice-Vortrag, der den provozierenden Titel „Plastik ist fantastisch: Wie Moderna Nachhaltigkeit in ihre DNA einbaute“ trug. Saelen hält hochwertiges Plastik für langlebig, haltbar, flexibel und relativ preisgünstig – und damit sehr gut geeignet für Transportboxen, Katzenstreu-Behälter, Näpfe, Schlafstätten und andere Zubehörprodukte für Heimtiere. Um Kunststoff auch zu einem nachhaltigen Werkstoff werden zu lassen, sah Saelen es stets als ihr Hauptziel an, den Recyclinganteil ihrer Plastikartikel Schritt für Schritt zu erhöhen. Das ist ihr gelungen, wie die beeindruckende Quote von bis zu 98 Prozent heute zeigt. Diese Entwicklung, so die Belgierin, sei aber nicht von heute auf morgen möglich gewesen. „Es ist ein schrittweiser Prozess, bei dem wir konsequent sind und uns voll und ganz auf eine Veränderung konzentrieren“, bilanziert die agile Unternehmerin rückwirkend. Dazu gehört, Kooperationen zu aufgeschlossenen und ähnlich wie sie denkenden Firmen und Organisationen zu setzen – ein Grund für Saelen, sich der PSC anzuschließen. „Wir müssen unkonventionell denken“, rät sie allen, die mehr Nachhaltigkeit wagen wollen. Davon, dass sich dieser oft steinige und unbequeme Weg lohnt, ist Saelen felsenfest überzeugt
„Niemand stoppt sie“
Eine weitere Frau, die auf der International Pet Conference viel Aufsehen erregte, ist Polina Kosharna. Am Ende ihres engagierten und mutigen Vortrags erhielt die Mitinhaberin und Leiterin des Vorstands der ukrainischen Suziria-Firmengruppe von den Besuchern stehende Ovationen – ein Höhepunkt des Kongresses. Kosharna ist in der Heimtierbranche schon vor Jahren immer wieder für ihren Mut und ihre Geradlinigkeit geschätzt worden. Der Ausbruch des Ukraine-Krieges stellte ihr Leben, das ihrer Familie und ihrer Firmengruppe völlig auf den Kopf. Im Kriegsmodus wuchsen sie und ihr Team aber über sich hinaus. Gemeinsam machten sie Dinge möglich, die niemand für menschenmöglich hielt. „Niemand kann Polina Kosharna und ihre Suziria-Gruppe stoppen“, beschrieb Pavel Bouska von der tschechischen Vafo-Gruppe die zierliche, aber sehr resolute Frau einmal. Vafo gehört neben Aquael, der United-Petfood-Gruppe, Trixie und vielen anderen zu einem Kreis von Unternehmen, die Suziria in den zurückliegenden Monaten nach allen Kräften unterstützt haben. Trotzdem ist es fast unglaublich, was dem Unternehmen im Auge des nach wie vor tobenden Krieges im Lauf dieses Jahres gelungen ist: Die Zahl der Logistikzentren und Produktionsstätten wurde erhöht, neue Zoofachmärkte wurden an den Start gebracht, ein Großteil der Unternehmensmitarbeiter konnte gehalten werden, auf der Interzoo präsentierte sich die Unternehmensgruppe auf gleich mehreren Ständen und präsentierte ein völlig neues Sortiment. Das gibt Mut und lässt Kosharna trotz immer wieder einsetzender Rückschläge auch in schwierigen Zeiten optimistisch bleiben: „Jeder glaubt an einen ukrainischen Sieg und ist bereit, in unserem Land zu investieren, Ukrainer ebenso wie Menschen aus anderen Ländern“, meinte sie am Ende ihres denkwürdigen Vortrags. Von dieser unerschütterlich positiven Einstellung kann die gesamte Heimtierbranche viel lernen!