Ukraine-Krieg sorgt für neue Turbulenzen

Vertreter von heimischen Industriefirmen sprechen auf pet-Anfrage davon, dass seit Beginn der russischen Invasion die Belieferung der Ukraine mit Heimtierprodukten weitgehend zum Erliegen gekommen ist, unter anderem auch, weil im Land aufgrund des Krieges so gut wie keine Speditionen mehr zur Verfügung stehen, die die Ware weitertransportieren können. Alle Industriefirmen, mit denen pet gesprochen hat, gaben zwar an, im intensiven Austausch mit ihren Distributoren zu stehen und gemeinsam Möglichkeiten auszuloten, um die Belieferung bald wieder in Gang zu setzen. Allen ist es ein Anliegen, die Weiterversorgung der ukrainischen Heimtiere mit Futtermitteln und Zubehör auch unter Kriegsbedingungen zu gewährleisten. Der ukrainische Heimtiernahrungshersteller Kormotech hat auf seiner LinkedIn-Seite berichtet, dass das Unternehmen seine Produktion in Lviv an der ukrainisch-polnischen Grenze nach einer zwischenzeitlichen Stilllegung wiederaufgenommen habe. Kateryna Kovalyuk-Burko, die Leiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Kormotech, betont, dass das Unternehmen noch ausreichend viel Rohware auf Lager habe und derzeit auch über einen ausreichend großen Vorrat an Fertigprodukten verfüge. Bis Anfang März habe die Firma in sechs Tagen mehr als 11 Tonnen Heimtiernahrung an Tierhalter in allen großen ukrainischen Städten geschickt. Das Unternehmen kündigt auch an, mit „Save pets of Ukraine“ eine Stiftung mit Sitz in Litauen eröffnen zu wollen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Tiere in dem von Russland angegriffenen Land auch unter den Bedingungen des Krieges weiterhin versorgt werden. 

Schon bevor Russland in die Ukraine einmarschiert ist, war es in den Monaten davor schwierig für westliche Heimtierfirmen, den russischen Markt mit ihren Produkten zu beliefern. Durch das Kriegsgeschehen sei die Belieferung von Weißrussland und Russland mit Heimtiernahrung und -zubehör aber nahezu unmöglich geworden, hört man in der gesamten Heimtierbranche. Alle an Russland angrenzenden EU-Staaten haben russische und weißrussische Flugzeuge aus ihrem Luftraum verbannt. Die Ware über den Landweg ans Endziel zu bringen, werde von Tag zu Tag schwieriger, sagen die Firmen. Es fehle an Speditionen, die in der Lage sind, den Transport zu leisten. Hinzu kommen zunehmende Schwierigkeiten mit dem russischen Zoll. Neue Probleme für den Warentransport nach Russland bringt der Ausschluss einiger großer russischer Finanz­institute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift mit sich. Viele Firmen aus dem Westen befürchten, unter den derzeitigen Umständen ihr Geld für die Ware nicht mehr zu bekommen. „Dieses Jahr wird es keinen Warentransport mehr nach Russland und in die Ukraine geben“, sagt der Geschäftsführer eines namhaften Heimtierunternehmens. Andere Firmen sehen das ähnlich.

Die Heimtierbranche rechnet mittelfristig mit weiteren Erhöhungen der sowieso schon hohen Energiepreise, da sich Europa und speziell Deutschland in starker Abhängigkeit vom russischen Gas befinden. Sollten die russischen Rohstofflieferungen ausfallen, könnte es sogar zu einer Energieknappheit in einigen Ländern Europas kommen, befürchten Branchenakteure. Ein weiterer Aspekt: Russland und die Ukraine sind für die Heimtierindustrie wichtige Lieferanten von Weizen und Sonnenblumenöl. Da beide Länder auf absehbare Zeit ausfallen werden, rechnen Branchenkenner mit einem negativen Einfluss auf den globalen Rohstoffmarkt. Immerhin haben die Weizenexporte der beiden Länder einen Anteil von ca. 29 Prozent am gesamten Exportaufkommen.

Die Lieferketten werden durch den Ukraine-Krieg weiteren schweren Belastungen ausgesetzt. Das dürfte in den kommenden Monaten auch in der Heimtierbranche die Warenversorgung weiter erschweren. So hat Fressnapf gegenüber pet bestätigt, vorerst keine Container mehr per Schiene aus China zu transportieren. Europas führende Fachhandelsgruppe rechnet damit, dass sich aufgrund der steigenden Rohölpreise die Transportkosten sowohl für die Seefracht als auch für Lkw weiter erhöhen werden. In den kommenden Monaten will das Unternehmen bei seiner Logistik auf einen Mix aus Transport über die Straße, Luft- und Seefracht setzen, der bestimmt werde von Kapazitäten, Kosten und Laufzeiten.

Insbesondere die Luftfracht spürt die Folgen der Einschränkungen des Luftverkehrs. Zum einen fallen die aus dem EU-Luftraum verbannten russischen und weißrussischen Fluggesellschaften aus. So habe allein das russische Unternehmen Air Bridge Cargo im vergangenen Jahr rund 110.000 Tonnen Luftfracht umgeschlagen, wird berichtet. Westliche Airlines dagegen können den Luftraum über Russland nicht mehr nutzen, was die Flüge aus Mitteleuropa nach Asien um bis zu mehrere Stunden verlängert. Dafür muss mehr Kerosin mitgenommen werden, was zur Folge hat, dass bis zu 20 Prozent weniger Fracht auf den Flügen transportiert werden können. Luftfahrtexperten rechnen nicht mit einer kurzfristigen Erholung der Engpässe. Langfristig wird erwartet, dass europäische Fluggesellschaften ihre Flotten ausbauen und arabische Fluggesellschaften Teile der russischen Luftfrachtkapazitäten übernehmen können.

Der Krieg in der Ukraine hat aber auch zu einer großen Solidaritätskampagne mit den dortigen Menschen und ihren Heimtieren geführt. Eine der ersten, die in Deutschland ihre Unterstützung zugesagt haben, ist die Fachhandelsgruppe Das Futterhaus. Das Handelsunternehmen meldet auf seiner Facebook-Seite, die Aktion „Deutschland Hilft“ mit 25.000 Euro zu unterstützen. Vitakraft lässt die Nationalfarben der Ukraine auf die Außenwand seines Hochregallagers projizieren und zeigt damit seine Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land. Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) hat mit jeweils 5.000 Euro die Arbeit der Hilfsorganisationen Equiwent und des Vereins Tierfreunde Ukraine unterstützt. Auch andere Akteure der Heimtierbranche haben ihre Unterstützung zugesagt, so zum Beispiel der Mars-Konzern, Nestlé, Dennerle Plants und Tropika, Pets Nature, Hagen Deutschland, die baltische Fachhandelskette Kika, die britische Fachhandelskette Jollyes und der irische Hersteller Mackle Petfoods. 

Von der tschechischen Vafo weiß man, dass sie viel in Bewegung gesetzt hat, um geflohenen Mitarbeitern von ukrainischen Heimtierunternehmen eine Unterkunft und weitere Unterstützung anzubieten. Auch Tierbedarf Meyer aus Schweinfurt hat schnell gehandelt. „Als Tierfreund war mir sofort klar, dass ich direkt und unkompliziert helfen will und Futter spende“, sagt Geschäftsinhaber Bernd Meyer. Mit Hilfe eines Netzwerks von Tierfreunden, gelang es zügig, eine Transportkette zu organisieren. Die gespendeten 1.000 Kilogramm Hunde- und Katzenfutter im Wert von 5.000 Euro konnten schnell auf den Weg in die Ukraine gebracht werden. An der polnisch-ukrainischen Grenze übernehmen dann wiederum ehrenamtliche Helfer und Helferinnen die Koordination und Verteilung an die hilfsbedürftigen Tierheime und Tierbesitzer.

Die Tierrechtsorganisation Peta habe seit dem Ausbruch des russischen Angriffs auf die Ukraine bereits 40 Tonnen Tiernahrung in das Kriegsgebiet geliefert, schreibt sie in einer Pressemitteilung. 20 weitere Tonnen sollen zeitnah auf den Weg nach Odessa sein. Alle Lieferungen würden mit ukrainischen Tierschutzorganisationen organisiert, betont die Peta. Zudem seien schon zahlreiche Tiere aus dem Land geholt und tierärztlich versorgt worden. Auch die Europäische Zoovereinigung EAZA hat eine Spendenplattform zur Unterstützung ukrainischer Zoos eingerichtet. Alle Spenden für ukrainische Zoos gehen in Deutschland auf das Konto des Tierparks Hellabrunn in München und werden von dort an die Europäische Zoovereinigung weitergeleitet.