Chancen nicht erkannt

25.10.2005

Der stationäre Handel droht den Internet-Trend zu verschlafen. Es geht nicht darum, die Konkurrenz aus dem Netz auszuschalten, sondern die Möglichkeiten des Mediums zu nutzen – meint zumindest die E-Commerce-Branche

Auf dem 2. E-Commerce Kongress 2005 in München, veranstaltet durch die Pangora GmbH, Dienstleister für Produktsuchen im Internet, trafen sich auch in diesem Jahr wieder rund 170 Teilnehmer aus der E-Commerce-Branche, darunter Shop- und Portalbetreiber, sowie E-Commerce-Dienstleister, Webhoster, Unternehmensberater und Journalisten.
Sowohl in Diskussionsrunden wie auch in einer Befragung unter den Teilnehmern des Kongresses zeigte sich, dass die E-Commerce-Branche optimistisch in die Zukunft blickt und sich im Wesentlichen durch das Interesse der Konsumenten an der Informationssuche im Internet und durch steigende Umsätze im Online-Handel bestätigt sieht. Gleichzeitig sprachen die Experten jedoch eine Warnung an den stationären Handel aus, den Trend der Konsumenten zur Internetnutzung nicht zu verschlafen und sich mit den Möglichkeiten des neuen Mediums besser auseinander zu setzen. Die Zukunft des klassischen Einzelhandels könne nur gesichert werden, wenn die Potenziale des Internets berücksichtigt und genutzt würden, so der Tenor der Kongressteilnehmer.
Offline-Konzepte nicht eins zu eins übertragen
Dem Internet wurde insgesamt von allen Experten ein großer Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Konsumenten bescheinigt. Insbesondere da die Beratungsqualität im stationären Handel aufgrund von schlecht bezahltem, wenig qualifiziertem Personal stetig abnehmen würde, suchen viele Konsumenten heute Rat im Internet. Dabei spielen nicht nur Preisvergleichsseiten eine große Rolle, sondern auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Konsumenten in Chats, Foren und über Blogs beeinflusse heute die Kaufentscheidung.
Thomas Bachl von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wies darauf hin, dass sich der stationäre Handel von der Idee lösen müsse, seine Geschäftskonzepte eins zu eins ins Internet übertragen zu können. Der klassische Einzelhandel mache sich zu viele Gedanken um die Frage, wie die Konkurrenz aus dem Internet aufgehalten werden könnte. Dabei müssten vielmehr Alleinstellungsmerkmale wie die Beratungskompetenz herausgearbeitet und durch die Möglichkeiten des Mediums Internet unterstützt werden.
Sicherheit im Internet weiterhin größtes Problem
Welche Bedeutung das Thema Sicherheit für die Branche hat, verdeutlichte eine Umfrage unter den 170 Teilnehmern Kongresses. 21,4 Prozent der Befragten gaben demnach das Thema Sicherheit als wichtigstes Zukunftsthema für die Branche an. Auf dem 2. Platz landete mit 11,4 Prozent der Antworten das Thema "Verbesserung der Produktsuche" als richtungsweisend für die Branche und auf dem 3. Platz mit 10 Prozent der Antworten das Thema "Mobile Commerce".
Dieter Kublitz, Bundesvorsitzender der Verbraucher Initiative e.V., mahnte die E-Commerce-Branche, weiter am Thema Sicherheit für die Internet-Shopper zu arbeiten. Viele Konsumenten seien noch stets verunsichert bezüglich der Sicherheitsrisiken, ihre Daten im Internet zu hinterlegen und online per Kreditkarte zu zahlen. Auch schwarze Schafe unter den Online-Händlern, die beispielsweise bezahlte Ware nicht lieferten, würden der gesamten Branche schaden. An dieser Stelle seien auch die Kreditkarteninstitute aufgerufen, an der Verbesserung der Sicherheit von Online Bezahlmethoden zu arbeiten, so Kublitz. Christoph Mohn, Chief Executive Officer der Lycos Europe N.V., forderte außerdem, dass die Onlinehändler die Verantwortung für die Geschäftsabwicklung übernehmen und dem Nutzer eine Garantie für den sicheren Einkaufsvorgang mit Hilfe von Gütesiegeln wie Trusted Shops oder Bezahldiensten wie Paypal geben sollten.
Medienkonvergenz, Nutzerfreundlichkeit und Breitband sind erfolgskritisch
Während die Rahmenbedingungen für den E-Commerce insgesamt als gut bewertet wurden, sieht die Branche noch Handlungsbedarf in den Bereichen "Konvergenz der Endgeräte" zwischen mobilen Endgeräten, TV und Internet, "Bedienbarkeit" sowohl der Online- als auch der mobilen Angebote sowie bei der "Verbreitung von Breitbandanschlüssen". Da nachweislich die Nutzungsdauer des Internets mit der Verbindungsgeschwindigkeit steige, sei eine flächendeckende Verbreitung der Breitbandanschlüsse erfolgskritisch für die Entwicklung des E-Commerce, bekräftigte Wilfried Beeck, Geschäftsführer der Epages Software GmbH.
Großes Potenzial im Bereich Dienstleistungen
Eine Expertenbefragung des Instituts für marktorientierte Unternehmensführung der Universität München zum Thema "Zukunft des E-Commerce", vorgestellt von Prof. Dr. Schwaiger, ergab, dass insbesondere durch den Dienstleistungssektor mit Services wie Strom- und Wasserversorgung noch große Potenziale im Bereich E-Commerce ungenutzt seien. Dieser Meinung schloss sich auch Andreas Steinle, Leiter des Zukunftsinstituts in Kelkheim, an, der ebenfalls eine positive Entwicklung der Dienstleistungsangebote im Internet voraussagte.
Weiteres Wachstum durch Investitionen
Die positiven Vorzeichen für die E-Commerce-Branche drückten sich auch in einer unverändert hohen Investitionsbereitschaft sowie zunehmenden Mitarbeiterzahlen in der Branche aus. Während in 2005 45,7 Prozent der Befragten Kongressteilnehmer Investitionen von mehr als 75.000 Euro vorgenommen haben, planen für 2006 immerhin noch 44,
Prozent Investitionen in dieser Größenordnung. Gleichzeitig gaben 71,4 Prozent der Befragten an, in 2006 Arbeitnehmer einstellen zu wollen, während nur 4,2 Prozent mit Entlassungen rechnen. Für das anstehende Weihnachtsgeschäft rechnen 51,4 Prozent mit einer Verbesserung ihrer Umsätze gegenüber dem Vorjahr.
Von der neuen Bundesregierung erhoffen sich die E-Commerce-Experten jedoch keine wesentlichen Impulse für ihre Branche. Während 62,9 Prozent keine Veränderungen durch die Große Koalition in Berlin erwarten, glauben nur 34,3 Prozent an einen Aufschwung und 4,3 Prozent sogar an einen Abschwung durch die neue Regierung.
Zur Startseite
Mehr zum Thema
Das neue Abo: Print – Digital – Online
Jetzt gratis testen
Fachzeitschrift für den Zoofachhandel und die gesamte Heimtier-Branche
Lesen Sie auch