Herr Wiechmann, einige Futterhersteller kritisieren, dass bei den Tiernahrungs-Bewertungen der Stiftung Warentest Qualität und Herkunft der eingesetzten Rohware keine Rolle spielen. Auf die Humanernährung übertragen wäre das etwa so, als ob ein zartes Steak aus heimischem Öko-Fleisch mit einem Billig-Hamburger aus Hackfleisch von bedenklich gehaltenen Tieren verglichen würde. Können Sie diese Kritik von Seiten der Markenfutterhersteller nachvollziehen?
Die zentrale Frage lautet hier erst einmal, was genau hier unter Qualität und Herkunft verstanden wird. Der gesetzliche Rahmen sichert, dass im Heimtiernahrungsbereich ausschließlich Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse verwendet werden dürfen, die von Tieren stammen, die für den menschlichen Verzehr freigegeben worden sind (so genannte Kategorie-III-Materialien). Alle Hersteller von Heimtiernahrung sind zudem verpflichtet, sichere und ernährungsphysiologisch geeignete, ausgewogene Produkte herzustellen. Auf dieser Basis differenzieren die Hersteller dann ihre Angebote analog der Trends der Humanernährung. Hier beginnt die Schwierigkeit einer Objektivierung, denn eine Klassifizierung nach besser oder schlechter kann es hier nicht geben. Ihre Analogie ist da perfekt zur Erläuterung: Reines Muskelfleisch ist ernährungsphysiologisch betrachtet weniger werthaltig als einige Schlachtnebenerzeugnisse1. In biologischer Landwirtschaft erzeugte Rohstoffe sind ebenfalls nicht per se ernährungsphysiologisch wertvoller als konventionell hergestellte. Der Tierhalter hat die Wahl je nach seinen Wünschen und Einstellungen zu entscheiden. Inwieweit Aspekte des Tierwohls und der Nachhaltigkeit in die Bewertung eingehen, entscheiden die Testinstitute natürlich selbst. Die Kriterien sowie deren Gewichtung von Ökotest unterscheiden sich deutlich von denen der Stiftung Warentest. Manchmal wünsche ich mir dabei noch mehr Informations-Transparenz bezüglich Gewichtung der Kriterien sowie der Bestimmungsmethoden und deren Messung.
Oft liegt es an ernährungsphysiologischen Aspekten, dass teure Fachhandelsprodukte bei diesen Untersuchungen schlechter als preisgünstige abschneiden, die vor allem im Lebensmittelhandel als Handelsmarken vertrieben werden. Was empfehlen Sie Markenherstellern, um ein besseres Test-Ergebnis zu bekommen?
Meine Empfehlung an alle Hersteller ist ganz einfach: Die Fediaf-Richtlinien umsetzen. Die Richtlinie bietet ganz konkrete Nährstoffempfehlungen zu minimalen und maximalen Nährstoff gehalten in Heimtiernahrung für gesunde Hunde und Katzen, um eine adäquate und sichere Ernährung sicherzustellen. Diese Nährstoffempfehlungen sind in sechs Tabellen (drei für Hund und drei für Katze) übersichtlich dargestellt. Man muss nur verstehen, wie man sie zu lesen, zu interpretieren und umzusetzen hat.
Eine Unterschreitung der Mindestempfehlung oder eine Überschreitung bei Maximalwerten führt unmittelbar zu einer Abwertung durch die Stiftung Warentest. Ganz wichtig und unverzichtbar für gute Noten in der ernährungsphysiologischen Qualität sind folgerichtig standardisierte Rohmaterialien und präzise Herstellprozesse. Eine kleine Hilfsstellung aus der Praxis: Die empfohlenen Nährstoffgehalte werden, auf die umsetzbare Energie bezogen, angegeben. Als Einheiten gibt es hier somit die Angabe pro 1.000 kcal/Megajoule (MJ) oder pro MJ.
Die Zusammensetzung des Produktes bestimmt die umsetzbare Energie. Naturgemäß gibt es aber Schwankungen innerhalb eines und desselben Rohmaterials. Der Gesetzgeber erlaubt gemäß Anhang IV der VO (EG) Nr. 767/2009 (EG-Verordnung über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln vom 13.07.2009) Toleranzen. Der Rohfettgehalt darf beispielsweise bei Nassfutter vom deklarierten Wert um 2 Prozent nach unten und 4 Prozent nach oben abweichen.
Jetzt der Tipp: Die empfohlenen Mindestwerte sollte man jetzt nicht nur an dem aus der Deklaration errechneten umsetzbaren Energie des Futters auslegen, sondern einen Sicherheitsfaktor einbeziehen und von einem höheren Brennwert des Futters ausgehen und so ggf. die Supplementierung erhöhen. So stellt man definitiv sicher, dass die Mindestempfehlungen immer eingehalten werden, auch bei kleineren Schwankungen. Letztlich muss man immer die Gesamtrezeptur und Zusammensetzung im Blick behalten. Falls ein Hersteller hier Unterstützung wünscht, kann er sehr gerne unsere Seminarreihe zum KIN-Petfood-Techniker besuchen, oder wir organisieren ein Firmentraining. Hier gehen wir dann 100 Prozent unternehmensspezifisch auf diese Fragestellungen ein.
Vor allem bei den Fütterungsempfehlungen mancher Produkte übt die Stiftung Warentest Kritik. Was müssen diese Ihrer Meinung nach unbedingt enthalten?
Dieser Punkt muss tatsächlich einmal genauer erläutert werden, da es hier immer wieder Missverständnisse und hitzige Diskussionen gibt. Sehr gute Fütterungsempfehlungen enthalten grundsätzlich immer die Hinweise zu zimmerwarmer Fütterung, Unterschiede je nach Alter, Rasse und Aktivität, das Bereitstellen von Wasser und das Berücksichtigen der Kalorien aus Snacks.
Auf dem Etikett sollten für mindestens vier unterschiedliche Gewichtsklassen (Hund: ca. 4, 10, 20, 30 kg) die Fütterungsempfehlungen angeben werden. Die Stiftung Warentest reklamiert regelmäßig, dass für Produkte, die vornehmlich an kleine Hunde gerichtet sind, eine Fütterungsempfehlung für große Hunde fehlt. Durchaus nachvollziehbar, wenn zum Beispiel ein Halter eines großen Hundes eine Mixtur aus unterschiedlichen Produkten verfüttert.
Ganz entscheidend ist auch, dass die Ergebnisse der Stiftung Warentest Nähstoffanalyse möglichst identisch mit der Deklaration auf der Verpackung sind. Die Stiftung Warentest analysiert das Futter und berechnet daraus gemäß der Fediaf-Schätzgleichung in vier Teilschritten die umsetzbare Energie des Futters. Der tägliche Kalorienbedarf des von der Stiftung Warentest ausgewählten Modellhundes wird mit dem Faktor 95 kcal ME/pro KM0,75 berechnet (ME= umsetzbare Energie und KM = Körpermasse des Hundes). Daraus ergibt sich ein Tagesbedarf des 15 kg schweren Modellhundes: (in kcal) = 150,75 x 95 = 724 kcal.
Die Herausforderung besteht nun darin, dass der Hersteller seine Fütterungsempfehlungen auf Basis der Deklaration erstellt hat. Selbst wenn er jetzt im Rahmen der gesetzlichen Toleranzen liegt, wird ein um vier Prozent erhöhter, gesetzlich erlaubter Rohfettgehalt in der Analyse der Stiftung Warentest die Bruttoenergie des Futters deutlich nach oben ansteigen lassen. Auf Basis der Analyse wird die Bruttoenergie/umsetzbare Energie des Futters berechnet und mit den Angaben auf dem Etikett verglichen. Ein höherer Brennwert des Analysenergebnisses führt dazu, dass die Angabe für die empfohlene Fütterungsmenge auf dem Etikett viel zu hoch ist, also überfüttert würde. Für eine sehr gute Fütterungsempfehlung ist somit unverzichtbar, dass die deklarierten Angaben auch in der Praxis mit möglichst geringer Varianz erzielt werden. Die Hersteller müssen ihre Rohmaterialien und ihre Prozesse im Griff haben. Hier sind Spezifikationen und Eingangskontrollen, aber auch Mischer-Validierungen sehr wichtig. Letzteres ist auch für das Zudosieren von Supplementen (ernährungsphysiologischen Zusatzstoffen) unverzichtbar: Hier werden beispielsweise Vitamine und Spurenelemente in Mengen von 10 g pro 1 Tonne zudosiert (aus einer Tonne werden ca. 2.500 400-g-Dosen abgefüllt und auf diese Dosen müssen sich dann diese 10 g homogen verteilen).
Ein Tiernahrungsanbieter beklagt sich, dass in der jüngsten Hunde-Nassfutter-Untersuchung der Stiftung Warentest Rind im Futter in Höhe von 25 Prozent vermisst wurde (Nachweis über DNA-Analyse), obwohl es nach Darstellung der Firma in zahlreichen Tests, auch von externen Laboren, nachgewiesen wurde. Wie ist so etwas möglich?
Eine solche Diskrepanz ist zunächst einmal gar nicht zu erklären, denn ohne eine professionell angelegte komplette Fehleranalyse würde man sich hier in den Bereich der Spekulationen begeben. Diese Fehleranalyse umfasst eine Überprüfung der gesamten Produktionsprozesse auf Seiten des Herstellers genauso wie die richtige Wahl und Durchführung der Analytik auf Seiten der Stiftung Warentest. Auch hier kann die Hinzuziehung eines neutralen sachkundigen Partners für schnelle und sichere Klärung sorgen.
Erläuterung Schlachtnebenerzeugnisse
1 Schlachtnebenerzeugnisse finden aufgrund von veränderten Essgewohnheiten in der Humanernährung kaum mehr Verwendung. Früher wurden hieraus durchaus Spezialitäten gefertigt. Heute sorgt vielmehr die Petfood-Industrie dafür, dass diese hochwertigen Nebenerzeugnisse in Heimtiernahrung Verwendung finden und subventioniert damit indirekt auch die günstigen Fleischpreise im Humanbereich. Die Petfood-Industrie ist somit für die Entlastung der Schlacht- und Zerlegbetriebe mitverantwortlich, für die Vermeidung von noch mehr Lebensmittelvernichtung und für die komplette Verwendung des Tiers (nose to tail).