Am 28. Januar sind die EU-Verordnung 2019/6 (TAMVO) sowie ein neues deutsches Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Kraft getreten. Damit war das Arzneimittelgesetz (AMG; inklusive des weggefallenen § 60 „Heimtierparagraph“) war somit nicht mehr auf Tierarzneimittel anwendbar. Dem Gesetzeswortlaut zufolge gilt der generelle Sachkundevorbehalt nun für alle freiverkäuflichen Arzneimittel ohne Ausnahme. „Dies hätte bedeutet, dass Zoofachgeschäfte, die ohne Sachkundenachweis freiverkäufliche Arzneimittel für Heimtiere, außer solche für Hunde und Katzen, anbieten, ab dem 28. Januar einen Sachkundenachweis benötigt hätte“, berichtete im Januar der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF). Zuvor galten Ausnahmen des Sachkundevorbehalts für freiverkäufliche Arzneimittel, die ausschließlich zur Anwendung bei Zierfischen, Zier- oder Singvögeln, Brieftauben, Terrarientieren, Kleinnagern, Frettchen oder nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienenden Kaninchen bestimmt sind.
Der Verband hatte sich jedoch beim Bundesministerium dafür stark gemacht, dass die genannten Ausnahmen weiterhin gelten. Begründet wurde dies mit „gravierenden Folgen für die Zoofachhändler, für die Hersteller von Tierarzneimitteln, aber auch für alle Tierhalter und die Heimtiere selbst“.
Fünf Jahre Übergangsfrist
Auch Medikamente zur Behandlung von Zierfischen hatten eine solche Ausnahmestellung eingenommen: „Sie waren weder zulassungspflichtig noch apothekenpflichtig, sofern sie keine verschreibungspflichtigen Stoffe enthielten“, berichtet eine Unternehmenssprecherin von Sera. Das bedeutet, dass sie von Zoofachhändlern, die den Sachkundenachweis nach § 50 AMG besaßen, frei verkauft werden durften. Mit der neuen EU-Verordnung hat sich dies ab dem 28. Januar geändert.
„Erst einmal gilt jedoch noch eine fünfjährige Übergangsfrist. Nach aktuellem Kenntnisstand dürfen bis Anfang 2027 grundsätzlich alle jetzt im Handel befindlichen Zierfischarzneimittel noch weiter frei verkauft werden“, betont Sera. Das Unternehmen will davon Gebrauch machen und diese wichtigen Arzneimittel weiterhin anbieten und dafür auch die nun erneut gestiegenen regulatorischen Anforderungen in Kauf nehmen. „Andere Hersteller haben sich bereits aus dem Arzneimittelsektor zurückgezogen oder nehmen aktuell ihre letzten Arzneimittel aus dem Sortiment“, berichtet Sera.
Für bestimmte Wirkstoffe gilt die Übergangsfrist aber leider nur bei einem veränderten Vertriebsweg. Das bei Zierfischen relevante Aminonitrothiazol ist beispielsweise ab sofort von den deutschen Behörden als verschreibungspflichtig eingestuft worden. Davon betroffen sind die Sera-Medikamente „sera med Professional Flagellol“ für Fische und „sera med Professional Flagamol“ für Reptilien. „Arzneimittel mit diesem Wirkstoff sind nur noch über den Tierarzt zu beziehen“, unterstreicht Sera und berichtet weiter: „Der Tierarzt kann die Produkte bei uns bestellen und auf Rezept herausgeben. Wir haben beide Medikamente vorsorglich vom Markt genommen und den Vertrieb über den Fachhandel in Deutschland eingestellt.“
Was kommt 2027?
Bei Sera bereitet man sich aktuell bereits auf die Zeit nach der Übergangsfrist vor und bemüht sich um Zulassungen bzw. die Befreiung davon sowie um angemessene Erleichterungen für den Heimtiersektor. Hier seien allerdings noch viele Fragen offen und Einiges ist im Umbruch, wird berichtet. Auch die verschiedenen Behörden hätten noch Klärungsbedarf.
„Der Bereich Arzneimittel war und ist für uns ein wichtiger Bestandteil des Produktportfolios“, betont Sera. In dem firmeneigenen Forschungslabor arbeiten Spezialisten aus den Bereichen Biologie, Chemie und Veterinärmedizin zusammen an neuen Produktlösungen. So entstand auch die 2018 vorgestellte „Phyto med“-Reihe mit aktuell fünf Produkten. Sie besteht aus pflanzlichen Arzneimitteln mit nach dem Europäischen Arzneibuch definierten Pflanzenwirkstoffen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um homöopathische Mittel, wie manchmal fälschlicherweise angenommen wird, sondern um hochwirksame und dabei sehr gut verträgliche Medikamente. Die Wirkung tritt im Vergleich zu den herkömmlichen Arzneimitteln etwas später – aber im gleichen Umfang – ein. Es hat sich gezeigt, dass unsere Kunden bereit sind, sich an diese Eigenschaft zum Wohle ihrer Tiere zu gewöhnen.
Zu den konventionellen Zierfischarzneimitteln mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen zählen derzeit drei „sera med Professional“-Medikamente, die zusammen mit dem Institut für Parasitologie der renommierten Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelt wurden, sowie sieben weitere Medikamente.